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AutorenbildIsabel

Ja, es ist Krieg

Es donnert. Und nochmal. Immer und immer wieder. Ich wache auf und denke im ersten Moment, dass ein Gewitter naht. Nein. Das klingt nicht wie ein typischer Donner, es fehlt das Grollen. Und wieder knallt es. Diesmal so heftig, dass ich trotz der vermeintlichen Entfernung die dumpfen Vibrationen spüre.

Plötzlich schallen ganz viele Schüsse durch die Nacht- es klingt wie ein Maschinengewehr.

Nun weiß ich auch den "Donner" anders zu deuten. Sicher sind es Bomben. Oder Panzerschüsse!

Verdammt, jetzt bekomme ich Panik. Die Russen sind da.

Ja, wir stehen in Polen Nahe der weißrussischen Grenze... Aber wieso ist der Krieg den plötzlich hier?! Es gab keine Vorwarnung?!

Erstmal durchatmen... Nun kann ich auch wieder etwas klarer denken.

Als wir tagsüber zu unserem Stellplatz am See gefahren sind, fuhren wir an einer Armeekaserne vorbei. Die wirkte sehr groß und hatte auch einen riesigen Übungsplatz im Wald. Wir haben durch die Bäume viele Militärfahrzeuge und auch Panzer gesehen... Teilweise sogar Vehikel der amerikanischen Armee...


Es war in der Nacht also nur eine Übung, die mich aus den Schlaf riss...

 

Vor einigen Wochen hatten wir ein Video-Call mit Freunden, die uns fragten, ob wir in einem der bisherigen Länder etwas vom russisch-ukrainischen Kriegsgeschehen mitbekommen haben.

Im Großen und Ganzen haben wir die Frage zu diesem Zeitpunkt mit "Nein" beantworten können.

Zwar hatten wir in Rumänien mal einen Stellplatz, auf welchem uns in regelmäßigen Abständen ein seltsames Flugobjekt "besuchte". Wir haben dann herausgefunden, dass es wohl eine Art Aufklärerdrohne war. Möglicherweise waren wir ein suspektes Objekt, was plötzlich mitten zwischen den Feldern stand, und identifiziert werden müsste.


Ansonsten hatten wir auf Reisen keine Berührungspunkte zum Krieg.

Selbst als wir in Rumänien die Moldauklöster besuchten, welche sich sehr nah an der ukrainischen Grenze befinden, versicherten uns die Rumänen, das dieses Gebiet sicher sei.


Nun sind wir in Polen und plötzlich spüren wir, dass es diesen Krieg zwischen Russland und Ukraine wirklich gibt.

Wir sind hauptsächlich im Osten des Landes unterwegs. Wie bereits in meinem Beitrag zum Białowieża-Urwald erwähnt, standen wir dort recht nah an der Grenze zu Belarus.

An unserem Stellplatz fuhren sowohl tagsüber als auch die komplette Nacht regelmäßig Militärfahrzeuge und auch Polizei vorbei. Die meisten grüßten freundlich und es war in Ordnung, dass wir dort standen.

Am nächsten Tag besuchten wir den Ort Białowieża und stellten fest, dass die polnische Armee hier eine Militärstation errichtet hat.

Eine komplette "Containerstadt" mit vielen Soldatinnen und Soldaten und jeder Menge großer und kleiner Armee-Fahrzeuge.

Die Grenze zu Weißrussland wird extrem gesichert und bewacht.


Als wir zu Ricos Geburtstag in einem Biergarten saßen, hatten wir Blick auf das Treiben in dieser Armeestation.

Ich war erstaunt, wie viele junge Mädchen hier als Soldatinnen unterwegs waren.


Im 15 - Minuten - Takt traf ein LKW ein, von welchem dann die Soldat*Innen sprangen. Es war eine fröhliche, ausgelassene Stimmung.


Sie trugen schwere Rucksäcke und ihre Gewehre. Allesamt waren sie schmutzig von oben bis unten und klopften sich den Staub von den Klamotten...

Und die meisten von ihnen wirkten wahnsinnig jung...


Denke ich an Deutschland, machen viele eine Ausbildung/ Studium bei der Bundeswehr, weil es lukrativ ist. Kaum einer glaubt daran, dass er/ sie ernsthaft in einen richtigen Krieg ziehen muss.


Doch hier ist er plötzlich ganz nah. Hier wirkt es, als könnte dieser Ernstfall jeden Moment eintreffen...


Als wir einige Tage diese Region verließen, wurden wir von einer Einheit der Polizei gestoppt. Genau weiß ich nicht, was es war. Vielleicht Grenzschutz?!

Unweit des Ortsausgangs wies uns ein Uniformierter an, zu stoppen.

Dem jungen Mann war es sichtlich unangenehm. Dennoch bat er, in unseren Charly schauen zu dürfen. Er entschuldigte sich mit den Worten "The situation is complicated", checkte den Innenraum und verabschiedete sich mit der Erkenntnis "You are just here for holiday, right?!"


Später erklärte man uns, dass bewusst Wohnmobil und große Autos aus Deutschland in diesem Gebiet auf Schmuggel von Flüchtlingen kontrolliert werden...

 

Die Masurische Seenplatte ist wunderschön. Wir haben hier einige Tage an verschiedenen Stellplätzen verbracht.

Auch die Erzählung vom Beginn meines Beitrags fand hier statt.


Wir fanden heraus, dass seit Anfang Mai in Polen große Militärübungen stattfanden, in welchen sogar die US-Army involviert ist.


Gestern standen wir an einem anderen See.

Hier flogen tagsüber sehr viele Hubschrauber über uns hinweg. Ziemlich tief, sodass wir problemlos erkennen konnten, dass an jedem etwas dran hing- jeder Hubschrauber transportierte zwei Raketen(Attrappen?!)...

Nachts hörten wir auch wieder Schießübungen...

Und heute morgen konnte man ganz deutlich die Kanonenschüsse von Panzern hören...


Mit einem immer mulmiger werdenden Gefühl haben wir diesen Platz heute morgen verlassen.

Nun sind wir einige Kilometer von der Litauischen Grenze entfernt... Sonntag wollen wir dann also ins nächste Land, und hoffen, dass uns dieses Gefühl des nahen Krieges nicht durchweg begleitet... Vielleicht Wunschdenken, wenn man betrachtet, dass die nächsten Länder alle eine direkte Grenze zu Russland haben...

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