Wir hatten gestern einen Regentag. Ja, das kommt vor. Inzwischen ist das für uns aber kaum mehr ein Problem. Wir halten uns dann hauptsächlich im Charly auf: Lesen, spielen etwas, oder ich stricke, Lucy hört Hörspiele... Oder wir backen oder kochen etwas schönes.
Oder wie jetzt, schreibe ich eben einen Blogbeitrag 😉
Aufgrund des Inndoor-Wetters haben wir uns gestern früh über die tollen "Sunshine"- Instagram - Profile unterhalten. Wer von euch auch bei Insta unterwegs ist und anderen Reisenden folgt, kennt sicher die tollen Szenarien:
Ein Pärchen liegt kuschelnd im Bett und öffnet die Heckklappe. Man sieht einen zauberhaften Ausblick aufs Meer, in dessen Wellen wundervoll die Sonne glitzert...
Oder eine schmusende Familie am Strand beim Sonnenuntergang....🌅
Oder eine junge Frau, die strahlend am Campingherd steht, während sich ihr Freund liebevoll an sie schmiegt. 👩❤️💋👨
Oder ein großartiges Campingmobil unterm Nachthimmel und davor liegen die Bewohner eng umschlungen auf einer Decke und beobachten Sternschnuppen 💫
Haben wir solche Dauercamper schonmal in der Realität gesehen??? Nee. Noch nie. 😉
Stattdessen erinnere ich mich an ein junges Paar, das seinen alten Van in Montenegro direkt neben uns parkte.
Es war ein regnerischer Tag und wir kamen nicht umhin zu beobachten, wie beide sich den ganzen Tag im Bett "rumquälten" um am Laptop zu arbeiten. Wollte einer raus, musste er immer über den anderen "drüberrobben". Der ein oder andere mag jetzt sagen, dass das doch durchaus nett klingt 😜 Mh, mag es mal einen Tag sein. Stellt euch aber vor, ihr habt mehrere Tage Regenwetter und seid darauf angewiesen, online zu arbeiten. Dann nervts mit Sicherheit irgendwann, wenn man nirgends vernünftig sitzen kann.
Am nächsten Morgen bereitete das Mädel Frühstück. Kochen funktioniert in den kleinen Vans meist nur draußen. Sie stellte sich also unter die geöffnet Heckklappe und machte Pfannkuchen 🥞
Ja, auch das klingt nicht schlimm. Aber hey, die beiden mussten dann natürlich auch draußen essen- und immer wieder gab's Regenschauer 🙈
(Wir waren wenigstens so gut und haben sie erst essen lassen, bevor wir weiter gefahren sind. Sonst hätten sie nämlich auch noch unsere Abgabe als Topping für ihre Pancakes gehabt 🤪)
Wir erinnern uns auch noch ganz genau an eine Familie in Schweden (im Urlaub 2022). Die hatten einen VW-Bus. Zwei Erwachsene und zwei Kinder. Je nachdem was gerade benötigt wurde, musste der Bus immer wieder komplett umgebaut und ausgeräumt werden 🙈
Am Ende des Tages stellten wir fest, dass der Vater die Nacht draußen im Liegestuhl verbrachte 😅 Möglicherweise war's ihm zu eng zu viert da drin zu schlafen, oder er hatte schlichtweg keinen Platz. (Wäre mal interessant, wie die Regenlösung der Familie aussah)
Und am nächsten Morgen sahen wir die Mutter mit der Rolle Klopapier in den Wald stiefeln. 🙈
Eine Frage, die wir uns unglaublich oft bei solchen kleineren Reisemobilen stellen: Haben die ein Klo, oder sind es "Waldscheißer-Mobile"? 💩🌲🌲
Zwar rühmen sich die "Bulli-Camper" immer damit, dass sie unauffällig überall stehen können und umweltbewusster unterwegs seien- müssen dann aber ihre Häufchen (bei Wind und Wetter) in die Natur machen. Mh, ich vermute, DAS hat euch noch keiner auf Instagram erklärt?! 😁
Info am Rande für die, die es noch nicht wissen: wir haben selbstverständlich eine Toilette an Board. Die Trockentrenntoilette funktioniert ohne Chemikalien und ohne Wasser und ist somit echt umweltfreundlich 😄
Mal weg von den Reisenden, die mit kleinen Vans unterwegs sind. Ich denke, es liegt auf der Hand, dass die es teilweise wirklich sehr eng haben. Vor allem als Familie.
Doch auch mit solchen großen Mobilen, wie wir eins haben, ist nicht immer alles schön. Wenn wir zum Beispiel an der Tankstelle stehen und unseren 300 Liter-Tank befüllen, geht auch sämtliche Instagram-Idylle verloren. 😜
Auch wenn ich unseren persönlichen Alltag betrachte, kann ich euch versichern, dass Instagram nicht die Realität vermittelt!
Natürlich kuscheln wir auch. Und selbstverständlich freuen wir uns über einen tollen Ausblick aufs Meer oder vom Berg ins Tal...
Allerdings schmachten wir uns nicht die ganze Zeit an 🤪 (Fragt man Lucy, ist sie anderer Meinung 😂)
Zwar ist mir in unserem "neuen Leben" bewusst geworden, was wirklich wichtig ist. Was gibt's denn besseres, als Zeit zu haben und die für Dinge zu nutzen, die einem gut tun? Zeit für Familie und Zeit für sich selbst. Aber das säuseln wir uns halt nicht permanent ins Ohr 😜
Thema Stellplatz:
Gestern Abend zum Beispiel war ich wieder absolut verzaubert, diesem Leuchtturm zuzusehen. Das war wirklich ein toller "Vanlife-Moment". Am Meer, mit felsigen Klippen und dann das gleichmäßig rotierende Licht des Turmes. Wundervoll.
Aber das ist ja nicht JEDEN Tag/ Abend!
Schaut man sich jedoch die Reiseprofile auf Social Media an, bekommt man den Eindruck, dass die Vanlifer IMMER an den schönsten Orten der Welt stehen.
Haha. Denn nicht jeder Platz an dem wir übernachten ist absolut fancy und sexy. Nee. Oft genug landen wir auf Stellplätzen von denen wir sagen "Ah, naja, für einen Tag gehts schon" oder manchmal gabs auch schon echt fürchterlich Stellplätze!
Drei fallen mir da ganz spontan ein:
Als wir in Montenegro auf dem Hof der Iveco-Werkstatt übernachten mussten....
(Wer die Geschichte noch nicht kennt oder nochmals nachlesen möchte, dann geht's hier zum Beitrag ➡️ https://wix.to/HHbzkE2?ref=2_cl
Oder der fürchterlich laute Busparkplatz in Athen....
Ganz schlimm war auch ein Stellplatz in England. Wir waren schon ewig unterwegs und haben keinen Stellplatz gefunden. Weil wir dann alle total kaputt waren, stellten wir uns auf den Parkplatz eines großen Einkaufscenters. Der Geruch des naheliegend McDonald's war das eine, der permanente Lärm das andere. Viel schlimmer wurde es, als wir plötzlich quietschende Autoreifen hörten und danach einen lauten Knall und Geschrei. Als wir aus dem Fenster schauten sahen wir in unmittelbarer Nähe, wie die Polizei einen Typen gestoppt hat. Und direkt niederknüppelte und festnahm 🙈
Findet man solche Plätze, wie sie oft auf Insta "beworben" werden, sind die dann in Wahrheit oft total überlaufen und mit anderen Campern besetzt.
Vor allem in Norwegen war es Wahnsinn, wie viele Camper sich auf einen Platz pressten.
Worüber auch selten gesprochen wird, dass man in den wenigsten Ländern Europas offiziell frei stehen darf.
Das hat zur Folge, dass man mancherorts auch ein mulmiges Gefühl hat und fast schon darauf wartet, dass die Polizei klopft um uns fort zu schicken.
Diese Bedenken hatten wir anfangs öfter, doch was man auf Reisen wirklich lernt: Hör auf dein Gefühl.
Ich denke, dass wir inzwischen ein gutes Gespür entwickelt haben, wo man bedenkenlos stehen kann und wo nicht.
Wir parken viel nach "Bauchgefühl". Wenn wir irgendwo stehen, wo wir uns unsicher fühlen, geht's woanders hin. Hier meine ich nicht nur die Bedenken weggeschickt zu werden, sondern eben auch persönliche Sicherheitsbedenken. Sei es nun Einbrecher/ Autoknacker oder auch der Natur gegenüber.
Wenn man viel unterwegs ist, lernt man auch, offen anderen Menschen gegenüber zu sein. Man scheut sich weniger vor fremden Lebensweise und lernt sein eigenes Weltbild zu korrigieren und komplettieren.
Auch hier hilft oft das Bauchgefühl - wem kann man vertrauen?! Anfangs waren wir oft von Skepsis und Zurückhaltung geprägt, jetzt sind wir viel offener und haben gelernt damit umzugehen, dass nicht jeder, der uns etwas schenkt oder einen Gefallen tut, irgendwas als Gegenleistung erwartet.
Man lernt , solche Hilfen oder kleinen Geschenke dankend anzunehmen 🙏🏼
Tatsache ist auch, dass man sich in einem Camper beim "gemeinsamen Kochen" nur im Wege steht und deshalb nur einer in der Küche steht.
(Wobei "stehen" bei uns ja wirklich geht, in den kleineren Vans und Bussen ist ja eine permanente gebückte Haltung einzunehmen... Außer man hat die Größe eines Hobbits)
Schaut man auf Instagram den Reisenden zu, essen die oft tolle Dinge.
Ganz ehrlich auch hier: genau wie bei euch besteht auch bei uns JEDEN Tag die verdammte Frage "Was gibt's denn heute zu essen???" 😫
Hast du dann noch so ein gefräßiges, heranwachsendes Kind dabei, dann spürt man in diesen Momenten definitiv nichts von der Instagram-Vanlife-Romantik 😉
Und auch entgegen der öffentlichen Darstellung ist es nicht so, dass man permanent nur frisches, knackiges Gemüse und Obst isst...
Manche Tage gibt es nur was Schnelles oder eben auch mal was vom Straßenstand.
Ich möchte auch darauf hinweisen, dass unser Kochen im Charly wirklich anders ist, als ihr es Zuhause macht. Fängt ja schon bei der Größe der Töpfe an.
Manchmal ist es zudem etwas umständlich, irgendwas mit mehr als zwei Platten zu kochen. So gibts bevorzugt One-Pot-Gerichte 🍲
Wenn wir gutes Wetter haben und auch die Umgebung passt, kochen wir gern am Feuer - aber auch das geht eben nicht immer und überall. Die dargestellte Lagerfeuerromantik gibt's eben auch nicht jeden Tag 🔥
Tja, und wenn dann alles gekocht und verspeist ist, muss man eben auch wieder das Chaos beseitigen. Da wir eine super kleine Küche haben, ist das Durcheinander gefühlt umso größer... Weil man begrenzte Abstellmöglichkeiten hat.
Nochmal zum Stellplatz:
Ich finde ja auch immer die Aussagen so niedlich: "Es ist so schön, wenn man am Meer steht und mit Wellenrauschen einschläft" - Jaja, klar. Wenn aber Wind (oder Sturm) aufzieht, oder man an felsigen Klippen steht, ist das Rauschen der Wellen alles andere als beruhigend. Da wirds dann nämlich mal ganz schnell nervtötend laut und an ruhigen Schlaf ist nicht zu denken😜
Genau das gleiche gilt für Regen. Ich persönlich finde es unheimlich beruhigend (Rico nicht!), wenn wir im Bett liegen und es regnet. Dann hören wir ein leichtes Plätschern direkt über uns. Doch wenn's sehr stark regnet, oder wir mal wieder unter Bäumen geparkt haben und somit große Tropfen auf Charly klatschen, nimmt das echt extreme Lautstärke an 😁
Und wenn ihr dann noch so einen Angsthasen als Hund habt, der dann nachts immer aufsteht, und durch den Flur tippelt, wenn's draußen etwas lauter ist, macht's das Schlafen auch nicht schöner 😉
Bei Sturm schuggelt es im Charly übrigens auch immer ein wenig. Für mich fühlt sich das immer an, als wären wir auf einem Schiff. Ob man das dann mag, ist jedem seine Sache... 🤢
Oft sieht man auf Instagram Fahrten durch herrliche Landschaft, Bergidyllen und vorbei an Traumstrände. Doch soooo schön sind die Wege nicht jeden Tag. Was wir schon für fürchterliche Straßen gefahren sind - ihr macht euch keine Vorstellung 🙈
Staubige Schotterpisten, grob asphaltierte Wege mit mega Schlaglöchern, Straßen so breit, wie unsere Radstand - da bleibt nicht immer der Sinn für Ausblicke.
Meist sieht man auf Insta reisende Paare, seltener auch Familien....
Sobald man solch eine Reise mit Kindern macht, ist es eh dahin mit der Romantik 😂😂😂
Wir reisen mit angehendem Teenager - da sind wir ja schon froh, wenn man mal einen Tag ohne Nörgeln überstanden hat 😉
Ein unzufriedener Heranwachsender, bleibt nun mal ein unzufriedener Heranwachsender - egal ob an einem festen Wohnsitz oder auf Reisen 😜
Wie auch in einem "normalen" Haushalt müssen bei uns Dinge erledigt werden. Abwaschen zum Beispiel. Wünscht man sich von Lucy, dass sie sich an diesen (wenigen) Aufgaben beteiligt, bekommen wir natürlich auch hier die gleichen Reaktionen, die ihr Zuhause von euren Teenagern kennt/ kennenlernen werdet.😜
Spontan fällt mir hierzu eine Reisefamilie ein, die wir persönlich kennengelernt haben.
Bei denen unterscheidet sich Insta wirklich zur Realität 🙈
Die Mama postet täglich mehrfach, wie krass wundervoll ihr Leben als reisende Familie ist. Ganz besonders amüsieren mich die Bilder/ Videos von ihr am oder gar im Pool und am Rande sieht man ihren Laptop. Dazu die Bezeichnung "Mein Büro für heute" - Das möchte ich gerne sehen, wie man IM Pool hängt und am Laptop arbeitet 😏
Mit Sicherheit haben auch die vier ein grandioses Leben, doch täglich sooo darüber zu schwärmen, wie zauberhaft alles ist, erscheint unglaubwürdig... Zumal hier zwei Kids im Teenager-Alter dabei sind 😬
Schaut man sich "anderen Reisenden" an, ist man schnell der Meinung, dass dort jeden Tag Action ist: eine Stadtbesichtigung hier, Besuch einer Ausgrabungsstätte dort, aufregender Beachday da.
Ist natürlich Quatsch - klar macht man auf der Reise Unternehmungen, doch nicht täglich. Vor allem haben wir aber festgestellt, dass wir inzwischen ganz schön "besichtigungs-müde" sind und kaum mehr Lust auf solch typische Touristenziele haben.
Sicher habt ihr auch schon die Instagramer gesehen, die ganz alleine irgendwo vor einer Touristenattraktion posten. Mh. Naja. Wohl auch eher selten die Realität 😜
Was auch selten erklärt wird, wie nervig "Organisationsfahrten" sein können. Müllentsorgung und Wassertanken ist manchmal eine echte Herausforderung. Wir sind manchmal den ganzen Tag unterwegs gewesen, nur um irgendwo unseren Müll los zu werden.
Oder in Rumänien erinnere ich mich auch an einen Tag, an dem wir zusätzliche 50km gefahren sind, um unser Wasser auffüllen zu können. Gerade an solchen Tagen kommt es vor, dass man auch einfach mal genervt ist und schlechte Laune hat. Ist halt so.
Was das Reiseleben für uns aber definitiv mit sich gebracht hat: Bewusster mit solchen Dingen umzugehen. Wir VERSUCHEN unseren Müll zu reduzieren, was allerdings wirklich unglaublich schwierig ist. Was hingegen super funktioniert: Wasser sparen. Wir verbrauchen so viel weniger Wasser als früher. Ja, ich oute uns jetzt: wir duschen durchschnittlich einmal in der Woche. Die anderen Tage tut's auch mal ein Waschlappen 😉 Das Gefühl einer warmen Dusche nach mehreren Tagen ist dafür unbeschreiblich! Früher war es eine alltägliche Selbstständigkeit sich zu duschen. Jetzt ist es einfach großartig und schüttet Glückshormone aus 😂
Wir lieben unser Reiseleben und sind jeden Tag froh, diesen Schritt gewagt zu haben. Ich bin auch regelmäßig BEWUSST dankbar, dass es alles so sein kann, wie es gerade ist.
Wir lieben es, unser Leben als Familie so genießen zu können und füreinander da zu sein.
Doch ist eben Vanlife nicht immer so, wie euch das auf Social Media nahegelegt wird. 💖 Die Sonne scheint nicht jeden Tag ☀️
PS: die Bilder von dem schmusende Paar am Strand.... Hat mal einer drüber nachgedacht, wie die das gemacht haben?!
Das Smartphone wurde irgendwo positioniert, die Zeitschaltuhr gestartet...
"Mache hin! So nun schnell hier rankuscheln!" - "Setz dich, als wäre es entspannt!" - "Guckst du verträumt?!" - "Ja, klar, oder nee... ich schieb meine Nase mal bissl in deine Haare... Als würden die voll duften... Kannste aber balde ma wieder waschen!" - "Boah... Na tu halt verliebt!"
KLICK 📸😉
Hallo Isabel, die Frage ist ja auch für wen machst du deine Reise - für euch oder für Instagram. Stell dir vor jeder Tag ist wunderschön - denkst du das dies auf Dauer den Reiz einer Reise ausmacht? Schöne Reise weiterhin und seid dankbar dass ihr diese Reise machen könnt (ihr werdet spätestens in Asien dran denken) und nicht alles glatt läuft. Viele Grüße aus der Heimat.