An dieser Stelle möchte ich einfach Danke sagen.
Danke, an die Österreicherin, die wir vor einigen Tagen auf der Hütte getroffen haben.
Alle Tische waren belegt. So setzte sich das ankommende Pärchen mit zu uns. Nach dem Essen kamen wir ins Plaudern.
Selbstverständlich darf jeder gerne seine Meinung haben und auch mit Kritik kann ich gut leben. Mir ist bewusst, dass nicht jeder unsere Art zu leben gut findet. Muss ja auch nicht sein.
Als diese freundliche Dame uns dann aber belehrend irgendwelche Statistiken runterbetete, um zu erklären, in welchem Alter ein Kind welche Dinge lernt- sorry, aber da war ich raus. Wir würden durch unsere Lebensart die Entwicklung des Kindes bremsen. Oder so ähnlich.
Ich lächelte freundlich und nickte nur.... Und schaltete dann irgendwann ab.
Zum einen:
Ist es tatsächlich zeitgemäß, Kinder (Menschen im Allgemeinen) in Schubladen zu pressen und meinen zu wissen, wann was gelernt wird?
Zum anderen:
Sie kritisierte, dass unsere Tochter keine sozialen Beziehungen aufbauen könne. Wie ihre Statistiken sagten.
Witzig ist, dass ich im Vorfeld unserer Reise jede Menge Berichte und auch Statistiken gelesen habe, die genau das Gegenteil aussagen.
Reisekinder kommen viel häufiger in Kontakt mit unterschiedlichen Charakteren. Sie müssen sich schneller auf andere Kinder einstellen und sind somit empathischer und sozialer - im Vergleich zu Kids, die in ihrer "festen" Bubble sind.
Ist auch wirklich so. Wir treffen oft andere Menschen und auch ab und zu andere Kinder. Wenn Lucy mit denen spielen möchte, dann nimmt sie natürlich Kontakt auf. Sie muss innerhalb kurzer Zeit abchecken, wer ihr Gegenüber ist. Was mag er/ sie für Spiele? Wie tickt er/ sie? Wie können wir am besten zueinander finden?
Manchmal hat sie länger Kontakt (so wie auf den letzten beiden Höfen, auf denen wir waren). Manchmal kürzer.
Bisher haben wir als Eltern nicht das Gefühl, dass ihr etwas fehlt, oder dass es ihr schlecht geht.
Als nächstes:
Anscheinend glauben die meisten Leute, dass wir diese Reise (dieses Leben!) von heute auf morgen beschlossen haben. Nee! Wir haben Jahre gebraucht, um uns erstmal klar zu werden, dass wir DIESEN Weg wählen. Danach haben wir lange, lange Zeit gebraucht, um zu schauen, in wie weit das realisierbar ist. Raus aus den Mustern, aber das ganze dann auch so, dass es legal ist.
Selbstverständlich haben wir auch lange damit gehadert, ob es für das Kind gut und richtig ist! Wir gehen eine Weg, der nicht dem Standard entspricht. Genau aus diesem Grund war unser Weg teilweise wirklich holprig und schwerer. Aber wir wollten das so und sind stolz, dass wir das geschafft haben.
WIR haben uns mit der gesamten Thematik beschäftigt, WIR kennen unser Kind - und dann kommen immer mal Menschen daher, die weder Ahnung von Langzeitreisen haben, noch Lucys Charakter kennen - aber überzeugt sind, dass es nicht gut sein kann.
Danke auch an die Dame vom Golfplatz in Innsbruck.
Nach langer Suche, wo wir in Innsbruck stehen können, landeten wir auf einem Parkplatz. Es standen eine Handvoll Autos darauf. Außerdem war Platz für mindestens 20 weitere. Als wir aussteigen, stellten wir fest, dass es der Parkplatz für den anliegenden Golfplatz war.
Rico machte sich auf, um direkt zu fragen, ob wir einfach hier über Nacht bleiben könnten.
"Nein!"
"Oh, ok. Warum denn nicht?"
"Na weil das nicht geht!"
"Wir stören doch in der Ecke keinen und es ist genug Platz für andere?!"
"Nein! Das geht nicht! Das ist einfach so!!!"
"Ok. Wir würden auch dafür bezahlen."
"Nein!!!!"
Wir standen dann kurz dort (jeder von uns wollte auf Toilette, ne Kleinigkeit essen...)
Da kam die Dame in ihrer pinken Bluse auch schon angestiefelt- mit ihrem Handy in der Hand. Sie hatte sofort unser Nummernschild fotografiert.
"Moment, wir sind sofort weg. Nur einen kurzen Augenblick"
"Mir reicht es jetzt. Ich gebe Ihnen noch 5 Minuten. Dann bekommen Sie eine Besitzstörungsklage! Das kann ja hier nicht wahr sein."
"Oh, besonders freundlich sind sie ja nicht."
"Naja, weil man das hier so nicht darf! Das ist einfach so!"
Und so fuhren wir sofort weiter.
Danke an den Herrn, der uns gestern früh geweckt hat. Seine "fröhlichen" Worte waren: "Sie dürfen hier nicht stehen! In 10 Minuten ist die Polizei da! Das kostet 700€ Strafe!!!"
Wir standen in einer kleinen Ortschaft auf dem leeren Parkplatz eines Freibads, welches zu dieser Jahreszeit sowieso noch geschlossen war. Ein großer Gästeansturm war demzufolge nicht zu erwarten.
Aber ja, auch hier fuhren wir natürlich sofort weiter.
Danke auch an die Menschen der 3 (!!!) Werkstätten, die wir persönlich bzw telefonisch kontaktiert haben. Danke, dass ihr uns unfreundlich und überheblich abgewimmelt habt. Danke, dass ihr uns angeboten habt, in 2 Wochen nochmals anzurufen, damit wir dann VIELLEICHT unseren Charly vorbei bringen könnten - der dann aber weitere zwei Wochen in der Werkstatt stehen müsste. (obwohl ihr noch nicht einmal das Problem kanntet)
Danke! Denn genau diese Menschen zeigen uns, dass es wichtig ist, ein zufriedenes, glückliches Leben zu führen. Nur wer unglücklich ist, lässt seinen Frust an anderen aus.
Diese Leute verdeutlichen uns, dass wir für uns einen guten Weg gefunden haben, ein zufriedenes Leben zu führen. Ok, unser Weg ist nun mal nicht "normal" - doch würde ich mir wünschen, dass das genauso akzeptiert wird, wie ich eben auch die Standardwege akzeptiere. Schließlich will ich auch nicht jeden bekehren, so ein Leben zu führen, wie wir.
Think outside the box. Schaut über den Tellerrand. Seid tolerant. Statt sofort zu verurteilen, stellt Fragen. Habt keine Angst vor Neuem und Anderen. Seid einfach open minded.
Amen. 😉
Wie wunderbar es doch bisher in anderen Ländern lief...
Wie schön würden Österreich und Deutschland sein, wenn sich alle mal eine Scheibe abschneiden würden: Gelassenheit der Italiener, Höflichkeit der Briten, Hilfsbereitschaft der Slowaken und Polen, Gastfreundschaft der Albaner und Rumänen usw.
Hallo Isabel,
so richtig entspannt scheinst Du ja nicht gewesen zu sein, beim verfassen der letzten Zeilen. Wie du schreibst, habt ihr lange gebraucht, bis zur Umsetzung eures Lebenstraums. Da ist es nicht verwunderlich, dass man sich dann bei kritischen (ungefragten) Bemerkungen mal herzlich „bedankt“.😉
Ein bisschen Bauchschmerzen habe ich bei pauschalen Verallgemeinerungen. Wir kennen auch nette, freundliche und hilfsbereite Österreicher und Deutsche (und natürlich auch andere…)
p.s.: in welche Richtung geht es für euch jetzt weiter?
Viele Grüße aus der alten Heimat,
Jenny, Anke &Kai